Interview mit Torsten Schäfer

Professor für Jornalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt.

1.

Was sind die Aufgaben eines umweltjournalisten?

Umweltjournalismus verstehe ich im Kontext der Nachhaltigkeit, aber nicht so wie vor 20/30 Jahren bezogen auf die Krisendiagnose journalistischer Art von Umweltproblemen. Dahinter steckt nämlich viel mehr. Heute stehen viel mehr gesellschaftliche und soziale Themen, mit Blick immer in die Zukunft gerichtet, im Vordergrund. Deswegen sind die Aufgaben eines Umweltjournalisten bzw. Nachhaltigkeitsjournalisten nicht die Nachhaltigkeit als Einzelthema zu sehen, sondern als Dimension, die alle Lebensbereiche erfasst. Deswegen ist es die Aufgabe der Journalisten, Nachhaltigkeitsthemen kontinuierlich auf die Agenda zu setzen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie oben stehen und dass diese Dimension nicht mehr verschwindet (egal, ob Energie, Mobilität etc.). Man muss das Ganze offen und unabhängig kommunizieren und nicht immer nur die eine grüne Lösung vorschreiben. 

Ansonsten sind es ganz klassische journalistische Funktionen: In der Gesellschaft für Orientierung zu sorgen, Meinungsbildung zu ermöglichen, als Gewaltenkontrolle zu fungieren, ein Frühwarnsystem zu sein, immer zukunftsorientiert dabei zu bleiben und Lösungen und Erfolge mit zu recherchieren und zu berichten. Aber wichtig ist es hier, immer kritisch zu bleiben. Das heißt, die ganze Frage der Zukunft, die Nachhaltigkeit im Kern ja stellt, stetig mit zu adressieren!

2.

als journalismus-Professor lehren Sie Studierende unter anderem in den bereichen Nachhaltigkeit und Umweltjournalismus. Was lernen Studierende im Bezug auf diese Themen bei Ihnen?

Allgemein vermittle ich in meinen Kursen Themen wie: Grundkenntnisse in Klimaschutz, Klimaanpassung, Klimawandel oder auch Natur, Arten(-sterben) und Grundlagen der Nachhaltigkeit. Aber es geht auch darum, Nachhaltigkeit als universellen Wert aufzufassen, sie als ethische Dimension zu sehen und besonders die ethische Perspektive zu wahren.

Außerdem wollen wir ein modernes Nachhaltigkeitsverständnis, ein ethisches Gespür und einen Sinn für die Zukunft vermitteln. Deswegen schreiben die Studierenden viele Szenarien in den Kursen und nähern sich mit dem Journalismus der Natur an, um bei allen faktischen Rahmen subjektiver zu werden.

Ebenso wollen wir die Studierenden ermutigen sich zu trauen neue Formen auszuprobieren und unterstützen sie diese zu trainieren. Es ist von Vorteil, wenn man die Umweltkrise mit allen Sinnen aufgreift, damit diese in den Arbeiten eingebracht werden können. Dafür ist es wichtig, raus in die Natur zu gehen. Wir lassen die Lehre oft draußen stattfinden, weil dies die Grundlage ist, um den eigenen Blick zu erweitern, mit allen Sinnen sinnvoll zu recherchieren, zu produzieren und auf Ideen zu kommen, wie die Arbeit zu Umweltthemen in den passenden Kontext gesetzt werden kann.

3.

Was möchten sie an studierende weitergeben, bezogen auf die wichtigkeit von umweltschutz und nachhaltigkeit?

Hier möchte ich gerne einwerfen, dass die Unis, besonders auch der Mediencampus der h_da, sehr technisch fixiert und sehr technologisch primär aufgezogen sind. Dabei gehen die wichtigen Fragen zur Demokratisierung und Nachhaltigkeit, die viel wichtiger sind als z.B. die Digitalisierung, vergessen. Natürlich ist die Digitalisierung und die technologische Entwicklung etwas sehr wichtiges und muss von uns Journalisten gedeutet und erkannt werden. 

Bezogen aber auf die Wichtigkeit der ethischen Gestaltungsaufgabe der Nachhaltigkeit, mache ich deswegen viel mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen. Vor allem, um der Digitalisierung  im Hinblick auf den sozialen und ökologischen Wandel einen ethischen Rahmen zu geben und ein Verständnis dafür zu schaffen. Kein primär technokratisch/technologisches Verständnis, welches sowohl sprachlich, als auch im Denken, Wachstum und in der Effizienz, immer den digitalen Kapitalismus an die erste Stelle stellt, sondern dem Gegenüber eine Sichtweise auf die Erde und hier eine ökologische Nachhaltigkeit zu haben. Ganz im Gegensatz zu dem veralteten Drei-Säulen-Modell, in dem sich Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft gleichermaßen ausbalancieren sollen.

4.

Welche Probleme, Herausforderungen oder Chancen sehen Sie an den Universitäten Darmstadts für die Etablierung eines nachhaltigeren Umgangs im Forschungs- und Lehrbetrieb?

Erstmal muss ich sagen, dass ich es toll finde, dass die Motivation und der Drang zu mehr Nachhaltigkeit an den Unis und generell in Darmstadt besonders groß ist. Momentan haben wir viele Studierende, Mitarbeiter und generell viele Aktivisten in der Stadt, die Nachhaltigkeit einfordern und zu Projekten machen. Aber natürlich gibt es hier noch einiges zu tun, vor allem nach Corona. 

Ich denke, wir sind zu schnell unterwegs, sowohl generell, als auch an den Hochschulen. Es geht hier ums Transportwesen, Reisen oder den momentanen Lebens- und Wirtschaftsstil, der die Erde ausbeutet. Deswegen muss sich hier die Hochschule fragen, wie viele Forschungsreisen wollen wir und brauchen wir noch und was kann man lieber digitalisieren über die Entfernung. Denn genau hier kann man ganz viel Einsparen, beispielsweise, wenn die Forschungskonferenzen digital stattfinden würden. 

Bezüglich der regionalen Ernährung können wir auch noch mehr machen. Auch wenn an den Mensen der Unis in Darmstadt schon einiges umgesetzt wurde.

Aber generell müssen wir uns fragen, was wir in unseren Studiengängen machen wollen. Vor allem dort, wo wir dieses Wirtschafts- und Wachstumsmodell explizit und implizit zugrunde legen, weil davon müssen wir wegkommen. Das hat uns zu der Situation geführt, in der wir jetzt sind. Wenn wir jetzt die Coronakrise für den großen Nachhaltigkeitsschub nutzen, dann könnten wir einiges bewegen.

Trotzdem darf man hier nicht vergessen, dass wir als Naturwesen mit einer ganzheitlichen Wahrnehmung und dem Bedürfnis nach Natur, nach zwischenmenschlichen Austausch und einem Austausch mit der Natur streben. Das ist zentral, was uns antreibt und wie wir die Welt wahrnehmen. 

Wenn wir nun den Effizienzvorteil nutzen und nicht mehr zu Konferenzen, Weiterbildungen oder auch den Präsenzveranstaltungen an den Unis pendeln, uns hier mehr digitalisieren, können wir zwar CO2 einsparen und es wird in Zukunft sicher mehr digitale Lehren geben. Aber genau hier ist es dann wichtig, eine intensive Präsenzlehre stattfinden zu lassen, weil wir uns als Menschen mit anderen Menschen treffen müssen. Das soziale Element des Lernens darf nicht verloren gehen. Hier ist es wichtig, ein gutes Verhältnis zwischen Präsenz- und präsenzfreier Lehre zu finden.

5.

Was können Studierende und Beschäftigte Ihrer Meinung nach aktiv tun, um nachhaltiger zu leben oder sich aktiv einzubringen?

Unbedingt rausgehen und viel in der Natur machen, was momentan auch viele Menschen in der aktuellen Situation versuchen zu tun. Daran sieht man, wie wichtig die Natur für den Menschen und für die eigene Befindlichkeit, Kreativität und das Wohlsein ist.

Andere Dinge, wie das Fahrradfahren, machen jetzt auch viele. Auch die regionale und saisonale Ernährung ist wichtig. Sich in Initiativen einbringen und die solidarische Landwirtschaft unterstützen. Sich hinterfragen, ob man wirklich das Flugzeug oder das Auto nehmen möchte. Für die persönliche Ebene sollte man sich auch mehr mit der Natur befassen, sich informieren und rausgehen. Ansonsten auf die Straße gehen und sich der Politik entgegenstellen und protestieren. Wir haben gerade eine dramatische historische Wende, die zwar erzwungen ist, aber gleichzeitig die Chance bietet neue Weichen zu stellen. Das, was jetzt passiert, ist entscheidend. Wir müssen laut werden, kritisch sein und verstehen, dass wir in Zukunft in einer ganz anderen Art und Weise, wie sie bisher unerkannt war, weitermachen müssen.

Zuletzt auch die Lehre politisch hinterfragen. Wenn jetzt alle mit Wachstumskapitalismus weitermachen, und hier gibt es genügend Studien, die das Ganze leider auch darlegen, müssen wir das stoppen. Wir müssen der Lehre und den anderen Systemen klar machen, dass wir an einem Punkt sind, wo wir eine andere Zukunft brauchen.

Dieses Interview wurde von Anna Schollmeyer am 15.06.2020 mündlich geführt.